Die Reise beginnt: Was heißt es eigentlich, mit Kindern zu philosophieren?
"Warum ist der Himmel blau?" – "Kann mein Hund auch traurig sein?" – Kinder stellen die größten und ehrlichsten Fragen. In diesen Momenten des Stutzens und Staunens liegt eine unglaubliche Chance: die Möglichkeit für ein echtes, tiefes Gespräch, das weit über eine schnelle Antwort hinausgeht. Doch wie verwandeln wir ein flüchtiges "Warum?" in ein gemeinsames Abenteuer des Denkens?
Die Antwort liegt in einer jahrhundertealten Praxis, die heute relevanter ist als je zuvor: dem Philosophieren mit Kindern.
Mehr als nur Reden: Warum unsere Kinder heute neue Denk-Werkzeuge brauchen
Wir leben in einer zunehmend komplexen Welt. Themen wie die Digitalisierung, Fake News und gesellschaftliche Spaltungen verunsichern Kinder und Jugendliche zutiefst. Das Bildungssystem reagiert darauf oft noch mit alten Mustern, in denen Wissen auswendig gelernt wird, anstatt es kritisch zu hinterfragen. Um Kinder auf diese Zukunft vorzubereiten, brauchen sie mehr als nur Faktenwissen. Sie brauchen die Fähigkeit, selbstständig zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden.
Hier setzt das Philosophieren an. Es ist weit mehr als ein nettes Gespräch; es ist eine grundlegende Kulturtechnik, die demokratiebildend, gemeinschaftsstiftend und sinnstiftend wirkt.
Was ist Philosophieren? Eine Reise zum Kern des Dialogs
Im Kern ist der philosophische Dialog ein gemeinsames Gespräch und eine argumentative Auseinandersetzung. Doch – und das ist der entscheidende Unterschied – es ist keine konfrontative Debatte, in der es darum geht, recht zu haben oder die eigene Meinung durchzusetzen. Das Ziel ist nicht, zu gewinnen, sondern gemeinsam zu verstehen. Der Fokus liegt auf dem WIE des gemeinsamen Denkens.
Die Wurzeln dieses Gedankens sind uralt. Der Begriff "Dialog" stammt aus dem Griechischen (Dia-Logos) und beschreibt, wie die Bedeutung oder der Sinn (Logos) durch das Gespräch hindurchfließt. Das Ziel ist ein geteilter Sinn und das Erlangen völlig neuer Einsichten. Schon Platon sah den Ursprung der Philosophie im Staunen über das Gewöhnliche, während Aristoteles die fundamentale „Warum“-Frage in den Mittelpunkt stellte.
Deine Rolle im Gespräch:
Die vielleicht radikalste Veränderung beim Philosophieren findet in der Haltung des Erwachsenen statt. Der wichtigste Grundsatz lautet: Wir lehren nicht. Wir sind nicht die Expert:innen, die alle Antworten kennen, sondern agieren als Gesprächsleiter:innen. Unsere Aufgabe ist es, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem frei gedacht werden darf.
Dabei helfen folgende Haltungen:
Gespräch auf Augenhöhe: Wir begegnen den Kindern mit Wertschätzung und Respekt.
Inhaltliche Zurückhaltung: Wir beantworten Fragen nicht selbst, sondern spiegeln sie an die Gruppe zurück.
Kein Sprechzwang: Aktives Zuhören ist genauso wertvoll wie das Sprechen selbst.
Pädagogisches Überwältigungsverbot: Wir versuchen nicht, die Kinder von einer bestimmten Meinung zu überzeugen.
Man kann sich die Rolle wie die eines Bildhauers vorstellen: Die Statue ist bereits im Stein verborgen. Unsere Aufgabe ist es nur, das überflüssige Material wegzumeißeln, um die Figur freizulegen. Wir helfen den Kindern, ihre eigenen Gedanken zu formen und zu begründen.
Die Früchte des gemeinsamen Denkens: Was Kinder wirklich lernen
Die Erfahrung zeigt, dass die Wirkung des regelmäßigen Philosophierens enorm ist. Kinder entwickeln dabei essenzielle Lebenskompetenzen.
Konkret wird gefördert:
Kritisches und autonomes Denken: Kinder lernen, selbstständig zu denken und Argumente zu prüfen.
Kognitive Fähigkeiten und Dialogfähigkeit: Sie üben, respektvoll zu diskutieren und die Perspektiven anderer nachzuvollziehen.
Autonomie und Selbstvertrauen: Wer merkt, dass die eigenen Gedanken ernst genommen werden, entwickelt ein stärkeres Selbstbewusstsein und eine höhere Entscheidungskompetenz.
Empathie und soziale Kompetenz: Der Dialog stärkt die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, was die Beziehungen in der Gruppe festigt.
Eine Gelassenheit dem Irren gegenüber: Kinder lernen, dass es in Ordnung ist, sich zu irren oder die eigene Meinung zu ändern.
Dein erster Schritt auf der Reise
Beim Philosophieren geht es also nicht darum, Kindern fertige Antworten zu liefern. Es geht darum, ihnen das bestmögliche Werkzeug an die Hand zu geben, damit sie ihre eigenen Antworten auf die großen Fragen des Lebens finden können.
Du brauchst dafür kein Philosophiestudium – nur Neugier, Offenheit und die Freude am gemeinsamen Denken.
Du willst selbst mit Kindern philosophieren? Dann lass dich hier ausbilden: www.philosophierenmitkindern.com