WAS IST NATUR?

Im November 2019 trafen wir uns zum 27. Philosophischen Salon und diskutierten über das Verhältnis von Mensch und Natur. Wie immer war es ein Erlebnis!

Was ist Natur?

Wozu gibt es den Naturbegriff? Sind wir nicht Teil der Natur? Aber wenn wir ein Teil sind, was ist dann das Ganze und der Rest?

In der Kulturgeschichte des Menschen, v.a. in unserer westlich geprägten Welt, haben wir uns selbst oft gegenüber der Natur positioniert. Wozu? Um sie schlussendlich zu beherrschen, uns zu eigen zu machen, sie nutzen zu können. Heute sehen wir, dass mit einem solchen Selbstverständnis des Herrschens auch die Gefahr einhergehen kann, über die Stränge zu schlagen. Wir beuten aus. Nicht nur uns selbst, sondern vor allem Ressourcen, die nur limitiert zur Verfügung stehen. Kann dies mit dem eben genannten Verständnis von Natur zusammenhängen? Wäre ein anderer Zugang vielleicht hilfreich und wenn ja, welcher?

Naturphilosophie - Parmenides

Die Philosophie beginnt - zumindest dokumentiert - mit der Naturphilosophie. Hier, zumindest in unserem Kulturkreis, beginnt das Philosophieren mit dem Denken der Vorsokratiker. Parmenides von Elea (520 v.Chr., Süditalien) zum Beispiel, war für die gesamte Philosophiegeschichte einer der einflussreichsten Denker überhaupt.

Wir lasen daher für den Salon das Fragment: “Über die Natur”. An seine zugegebenermaßen nur schwer lesbaren Überlegungen über das Sein knüpften sowohl andere Vorsokratiker, als auch Platon bis hin zu Heidegger an. Zum ersten Mal stellt sich - dokumentiert - in der Menschheitsgeschichte die Frage: Was heißt sein? Was ist wirklich? Gibt es eine höhere Wirklichkeit? Ist die Welt nur Illusion? - Und natürlich, wie bei den Vorsokratikern so üblich: Woraus besteht die Welt/bestehen die Dinge?

Wir kennen das. Bei Thales ist das prägende Element das Wasser, bei Anaximenes die Luft, die Pythagoreer verließen sich auf die Zahl und die Mathematik, Empedokles schließlich baute die Welt auf 4 Elementen auf. Wo kommt hier die Natur vor?

Der griechische Begriff für Natur war “physis”. Die Lehre der physis gestaltete sich bei Parmenides folgendermaßen: das Feuer und die Nacht galten als Urelemente, die sich in konzentrischen Ringen übereinander schichten - immer abwechselnd. Daraus bestand die Welt.

Physis konnte aber schon in der Antike zweierlei Bedeutung haben:
1. die Gesamtheit aller von selbst entstandener Dinge
2. das Wesen oder die Essenz von etwas

Wir können also sofort erkennen, wie sich selbst die Anthropologie, die Lehre vom Wesen des Menschen, aus der Naturphilosophie heraus entwickelt hat, genauso wie die Naturwissenschaften - nicht zuletzt die Physik. Die Naturphilosophie steht also am Anfang unseres philosophischen und wissenschaftlichen Denkens.

Aristoteles - die Zweiteilung

Spätestens Aristoteles führte schließlich die Unterscheidung zwischen dem natürlich Entstandenen und dem künstlich Geschaffenen ein: physis (Natur) vs. téchne (Kunst, Wissenschaft und Technik). Der Mensch wendet sich jetzt mehr und mehr vom Weltganzen ab und beginnt zu differenzieren. Ohne eine solche Differenzierung gäbe es keine Wissenschaften und keine Technik, doch durch die Aufteilung haben wir auch Fragmente beherrschbar gemacht und den Zusammenhang unseres Handelns und dessen Auswirkungen auf das Umgebende aus den Augen verloren.

Heute

Markus Mooslechner hat uns schließlich beim Salon in die neuere Forschung zum Thema eingeführt. Heute stellen sich einige Forscher*innen die Frage, ob wir von den Kommunikations- und Handlungsweisen von dem, was wir Natur nennen, nicht viel mehr lernen könnten.

Um darüber diskutieren zu können, mussten wir aber zunächst grundsätzliche Fragen klären:

  • Was heißt für uns Natur und gibt es eine Grenze zum Menschen?

  • Wenn der Mensch Natur ist, wird sein Handeln dadurch automatisch legitimiert? Und was geschieht bei einer solchen Verschmelzung der Begriffe mit der Verantwortung des Menschen FÜR die Natur?

  • Warum fühlt es sich anders an, in der Natur zu sein oder in einem hohen, künstlichen Gebäudekomplex mit künstlichem Licht? Was macht den Unterschied aus?

  • Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Und brauchen wir eine solche Trennung?

  • Wo beginnen Bewusstsein und Intelligenz?

Zukunft

Die Diskussion war dermaßen komplex, dass ich sie hier ohne Protokollierung nicht wiedergeben kann. Aber für mich persönlich hat sich eine Notwendigkeit klar herausgestellt: Ethik (v.a. Verantwortung) für die Zukunft neu zu denken. Das hierarchische Denken des Menschen, das Denken in Komparativen und Superlativen, hat den Menschen zu Verhaltensweisen geführt, die nicht nur anderen und dem Planeten schaden, sondern damit natürlich in letzter Instanz sich selbst. Gerade weil wir uns GEGENÜBER Natur positionieren, glauben wir immer noch, alles in der Hand zu haben - zum Schluss doch noch die Reißleine ziehen zu können. Doch langsam wird uns bewusst, dass dies vielleicht nicht mehr gelingen könnte.

Verantwortung müsste also neu gedacht werden, nicht mehr vertikal: jemand steht oben und trägt die Verantwortung für jene, die sich in einer untergeordneten, inferioren Position befinden.

Verantwortung müsste horizontal gedacht werden: jede Tat hat unmittelbar Auswirkung auf alles, was mich umgibt. Das gesamte Netzwerk rund um mich, wird von meinem Handeln mitbestimmt. Wir müssen in jedem Moment mit dieser Konsequenz leben lernen und bewusst damit umgehen können, unsere Entscheidungen davon abhängig machen. Erst damit wird eine Dringlichkeit unseres Handelns hergestellt. Solange ich mich in einer höheren Position befinde, glaube ich immer noch, auch noch später handelnd eingreifen zu können. Und genau dieses Denken ist fatal.

Mein Plädoyer also: entwickeln wir eine HORIZONTALE ETHIK!

Und wie immer zum Schluss, die Runde:

Natur ist…

  • meine Lehrmeisterin

  • wunderbar

  • bewusstes Erfahren

  • die Wurzel des Lebens

  • alles, was mich umgibt

  • Universum

  • zum Staunen und zum Tanken

  • unverzichtbar

  • schön

Ich freue mich auf den nächsten Salon!

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WARUM SICH DIE GÄSTE IN DER PHILOSOPHISCHEN PRAXIS NICHT AUF DIE COUCH LEGEN

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